An ihnen führt schon jetzt nichts mehr vorbei, sie sind einer der Grundfesten der Energiepolitik. Dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien unerlässlich ist, darin sind sich wohl alle einig. Bis 2025 will die Bundesregierung 40 bis 45 Prozent des Strombedarfs alternativ decken, bis Mitte des Jahrhunderts sollen bereits 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen. Doch wie kann man sich realistische Ausbauszenarien vorstellen? Welche Technologien brauchen wir, um den Stromverbrauch irgendwann vollständig durch Erneuerbare Energien zu decken? Welche Rolle wird Biogas in Zukunft spielen?
Wir haben dazu mit Peter Dietiker, Bereichsleiter Erneuerbare Energien bei Energie 360°, dem größten Gasversorger der Schweiz, gesprochen. Das Unternehmen ist weltweit an mehreren Start-Ups und Projekten beteiligt, die sich mit innovativen Ansätzen der Energiezukunft befassen – unter anderem auch mit der Herstellung von Biomethan, was in Zukunft durchaus eine Chance und Option für Landwirte sein könnte, die heute eine Biogasanlage betreiben und diese irgendwann ökonomisch und ökologisch weiterführen wollen.
Energas: Herr Dietiker, welche konkreten zukunftsträchtigen Geschäftsmodelle sehen Sie für Biomethan?
Dietiker: „Biomethan hat den Vorteil, dass man letztlich den Zugang zu allen Sektoren haben kann. Man kann aus Biomethan Strom herstellen und die Abwärme nutzen, man kann mit Treibstoff den Verkehrssektor bedienen und man kann natürlich auch ganz banal Wärme daraus herstellen.
Aber zunächst ist einmal wichtig, dass das Biomethan überhaupt ins Erdgasnetz kommt. Der Sektor, der dann bedient wird, ist fürs Erste zweitrangig. Denn unterm Strich ist es dem Klima egal, wo wir Emissionen einsparen, Hauptsache wir tun es. Biomethan ist ein leistungsfähiger Energieträger, dessen Power in kurzer Zeit abgerufen werden kann und der saisonal im Gassystem gespeichert werden kann. Mit Biomethan gibt es einfach viel Flexibilität in Zukunft.“
Energas: Ist das die Chance für die Technologie der Direktmethanisierung, also der direkten Nutzung von Biogas zur Herstellung von Methan ohne vorherige CO2-Abspaltung (hier erfahren Sie mehr über die Direktmethanisierung), um die herkömmliche Biogasaufbereitung zu optimieren und Erdgas schließlich langfristig durch Biogas zu ersetzen?
Dietiker: „Ja, ich denke, dass das Potential ohne Frage da ist. Heute wird in Biogasanlagen, die über eine Aufbereitungsanlage verfügen, etwa 40 Prozent des Gasvolumens als CO2 herausgefiltert. Wenn wir direkt methanisieren, kann man sich diesen Schritt sparen und dafür mehr erneuerbares Gas produzieren.
Meiner Meinung nach wird die Direktmethanisierung sehr helfen, die Klimaziele zu erreichen. Der Knackpunkt ist momentan allerdings noch die Energie aus erneuerbarem Strom, die man hineinstecken muss, um die Elektrolyse zu betreiben. Man braucht günstigen erneuerbaren Strom dazu, man braucht überschüssige Stromproduktion. Nur unter diesen Voraussetzungen bietet es sich an, Wasserstoff herzustellen und zu methanisieren.“
Energas: Ist Power-to-gas die Energie-Technologie der Zukunft?
Dieitker: „Das ist sehr abhängig von den äußeren Umständen und davon, wie der Energiemarkt funktionieren wird. Wenn man sich vorstellt, dass man den Energiemarkt generell erneuerbar machen will und man dann nicht nur an den Strommarkt denkt, dann wird Power-to-gas eine ganz entscheidende Rolle spielen, ja spielen müssen. Solange man aber nur in Stromdimensionen denkt, sieht das Ganze etwas anders aus – dann wirkt es schwer verständlich, wenn man immer mehr elektrifizieren möchte, und dann auch noch aus einem Teil des Stroms Gas und andere Energieträger macht.
Sobald wir aber auch im Gebäude- und Treibstoffmarkt relevante Mengen an erneuerbarer Energie zur Verfügung stellen wollen, dann führt, so denke ich, kein Weg an Power-to-gas vorbei. Natürlich werden wir die Welt nicht alleine mit Power-to-gas retten, aber es wird, sobald wir sehr viel unseres Stroms erneuerbar herstellen können, einen enorm wichtigen Beitrag leisten.“
Energas: Biogas in Kombination mit Power-to-gas – ist das heute schon eine Option für die Landwirtschaft?
Dietiker: „Die meisten Landwirte, die heute Biogas produzieren, betreiben ein BHKW und wandeln das Biogas in Strom um. In dieser Situation ist es vielleicht nicht das Naheliegendste, um jetzt über Power-to-gas nachzudenken. Aber sobald ein Landwirt Gründe sieht, weshalb die Verstromung nicht mehr ideal ist, beispielsweise weil man die Abwärme nicht genügend nutzen kann auf dem Hof, weil die Verstromung nicht mehr lukrativ erscheint oder weil einem der BHKW-Betrieb zu teuer wird, dann ist die Idee, Biogas aufzubereiten und ins Gasnetz einzuspeisen, sicher eine gute. Und sobald man bei diesem Gedanken angekommen ist, kann man sehr wohl weiter überlegen: Ist es jetzt richtig, das CO2 rauszuwaschen oder soll man es methanisieren?
Allerdings werden wohl eher größere und komplexe Anlagen wie etwa Kläranlagen zu den ersten gehören, die Biogas mit Power-to-gas kombinieren. Bis wir Landwirten eine solche Kombination empfehlen, wird es sicherlich noch vier oder fünf Jahre dauern. Aber früher oder später wird das kommen.“
Energas: Wird es möglich sein, Biomethan in Zukunft auch international zu handeln?
Dietiker: „Wir in der Schweiz tun das bereits – wir handeln schon über die Grenzen, wir verkaufen einen gewissen Teil unseres Biomethans und beziehen etwas aus dem Ausland. Allerdings gibt es zwischen den Staaten noch keine genauen Regelungen. Deshalb braucht es da Branchenlösungen, die das klären. Grundsätzlich ist das kein allzu großes Problem, es stellt sich nur die Frage, für welche Verwendung Biogas importiert werden soll beziehungsweise wofür es zugelassen ist. Beispielsweise gibt es für den Treibstoff gewisse Auflagen.“
Energas: Ihr Unternehmen ist an einem Münchner Start-Up beteiligt, das mithilfe von Kleinstlebewesen Biogas in großem Stil produziert – hat das Zukunft?
Dietiker: „Die Test-Anlage steht auf dem Gelände einer Kläranlage in Kopenhagen. Dort wird zunächst Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der erneuerbare Wasserstoff wird anschließend mit Klärgas aus der Kläranlage in den Reaktor geleitet, in dem sich Millionen von Kleinstlebewesen befinden. Diese nehmen CO2 und Wasserstoff auf und wandeln es in Methan um. Und zwar in viel Methan – bei einer Elektrolyseleistung von einem Megawatt entstehen rund 50 Kubikmeter erneuerbares Gas pro Stunde. Das ist schon eine gute Perspektive. Ich denke, die Idee ist zukünftig tatsächlich im großen Stil umsetzbar. Allerdings ist es abhängig einerseits vom Preis, den man für das Biomethan kriegt und andererseits vom Preis, den man bezahlen muss für den Strom, um erneuerbaren Wasserstoff herzustellen. Wenn da die Verhältnisse und ökonomischen Prozesse stimmen, dann steht dem Ganzen nichts im Wege.“
Energas: Werden wir weltweit die Klimaschutzziele erreichen?
Dietiker: „Ich denke, dass wir die Klimaziele unbedingt anstreben sollten. Je schneller wir eine Wende hinbekommen, desto mehr Potential zur Nutzung in der Zukunft bleibt uns. Produzieren wir sehr viel Temperaturanstieg in den nächsten Jahren, dann bleibt uns einfach weniger Reaktionszeit nachher. Deshalb ist es sicher ein Gebot der Stunde, alles zu tun, um diese Klimaziele zu erreichen.
Selbstverständlich müssen wir Effizienz hineinbringen in unseren Energiekonsum. Als Ökonom glaube ich, dass das relativ stark kostengesteuert sein muss. Wir müssen letztlich die externen Kosten, die entstehen, wenn man CO2 oder ein anderes Klimagas emittiert, bepreisen und zwar transparent. Jeder muss wissen, was das heute kostet und was es in Zukunft kosten wird. Und dann werden sich alternative Systeme sehr schnell auch ökonomisch lohnen und sich durchsetzen. Ohne ökonomische Anreize wird wohl nicht viel passieren. Das heißt letztlich, die CO2-Emission muss einen Preis haben und zwar einen relevanten Preis, so dass er Entscheidungen echt beeinflusst.
Alles in allem sollten wir vor allem auch die Chancen sehen, die sich auftun, wenn wir uns auf erneuerbare Energien besinnen und Energien effizient einsetzen.“
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dietiker!
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