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Seit kurzem ist die schwarz-rote Regierung im Amt. Die Energie-Branche hat gespannt darauf gewartet, was im Koalitionsvertrag zum Thema Energiewende stehen wird. Schließlich bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Treibhausgasemissionen so signifikant einzusparen, dass wir die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius halten können. Und besonders rosig sieht es in Deutschland wahrlich nicht aus: Stand heute stagnieren unsere Emissionen bei etwa 900 Millionen Tonnen jährlich – das Ziel, sie bis 2020 um insgesamt 40 % zu reduzieren, ist in weite Ferne gerückt. Nicht einmal die weniger ambitionierten europäischen Vorgaben werden wir bis 2020 einhalten können. Und dabei war Deutschland vor Jahren einer der Pioniere der Erneuerbaren Energien. Wir haben den Ausbau von Solar- und Windkraftindustrie vorangetrieben wie kaum ein anderes Land.

Warum wir unseren Energiewende-Vorsprung verspielt haben, hat mehrere Gründe. Zum Einen führt der Ausstieg aus der Atomenergie dazu, dass die meisten Braunkohlewerke weiterhin am Netz bleiben – irgendwie muss der AKW-Strom ja kompensiert werden. Zeitweise liefert allein die Braunkohle ein Drittel unseres Stroms, und das zulasten des Klimas. Zudem hat sich im Verkehr- und Gebäudesektor, die beide jeweils ein Drittel der Treibhausgasemissionen ausmachen, bisher nicht besonders viel an Umstrukturierungen getan. Von den Gesetzen anderer europäischer Länder, wie etwa den Niederlanden, wo große Autos besonders hoch besteuert werden, oder Dänemark, wo keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen, können wir nur träumen. Und dazu kommt die Unsicherheit möglicher Investoren, die sich in der Branche der Erneuerbaren Energien breitmacht – das Eingeständnis der Bundesregierung, dass die Ziele bis 2020 nicht erreicht werden, lässt Geldgeber zögern. Wie also positioniert sich die Bundesregierung nun?

Die Ziele der Bundesregierung für die Energiewende

Die Koalition hat jetzt die Aufgabe, bei der Energiewende wieder die richtige Richtung einzuschlagen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % zu verringern und den Anteil der Erneuerbaren Energien am Strommarkt auf 65 % zu bringen – im Jahr 2017 lag dieser bei 36 %. Bis 2050 will die neue Regierung mit einer sogenannten Energieeffizienzstrategie zusätzlich den Gesamt-Energieverbrauch halbieren. Wie genau sich die Bundesregierung das Erreichen dieser Ziele vorstellt, hat sie auf vier Seiten im Koalitionsvertrag festgehalten. Hier ein Überblick über die wichtigsten geplanten Maßnahmen:

Was im Koalitionsvertrag zur Energiewende steht

Erneuerbare Energien

Der EE-Anteil am Stromverbrauch soll, wie bereits erwähnt, bis zum Jahr 2030 bei etwa 65 % liegen. Union und SPD haben sich zu einem deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien bekannt – um einerseits wenigstens die Chance zu haben, die bis 2030 beziehungsweise bis 2050 gesteckten Ziele zu erreichen und andererseits auch den zusätzlichen Strombedarf zum Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie zu decken.

Bioenergie

Diese wird ausdrücklich im Koalitionsvertrag erwähnt. Union und SPD sind der Meinung, dass sie unbedingt zum Erreichen der Klimaziele im Energie- und Verkehrssektor beiträgt. Deshalb soll der Bestand von Bioenergieanlagen im Zuge der EEG-Ausschreibungen auch unbedingt weiterentwickelt werden. Außerdem soll die Reststoffverwertung verstärkt und der Einsatz von Blühpflanzen erhöht werden. Man will überdies die Treibhaus-Minderungsquote (THG-Quote) zur Unterstützung von Biokraftstoffen (auch auf Pflanzenbasis) im Verkehr weiterentwickeln.

Verkehr und Elektroenergie

Die Elektromobilität soll deutlich vorangebracht werden, wobei im Koalitionsvertrag explizit die Techniken Batterieelektrizität, Wasserstoff und Brennstoffzelle erwähnt werden. Bis 2020 will die Regierung mindestens 100.000 zusätzliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge realisieren.

Gebäude(sanierung)

Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm soll fortgesetzt werden, damit der Austausch von alten Heizungsanlagen gegen moderne, wie etwa Brennwertkessel, weiterhin gefördert wird. Zudem soll die energetische Gebäudesanierung steuerlich gefördert werden. Allgemein will die Koalition die Energiewende im Wärmesektor beschleunigen und mehr erneuerbare Energien im Gebäudebereich einsetzen, technologische Innovationen möchte sie besonders fördern. Das EnEV, Energieeinspargesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sollen im Gebäudeenergiegesetz zusammengeführt werden, das bis Anfang 2019 für öffentliche Gebäude und bis Anfang 2021 für alle Gebäude gelten soll.

Netzausbau

Die Koalition will einen „ambitionierten Maßnahmenplan“ verfolgen. Neue Technologien, mehr Digitalisierung und eine bessere Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern sollen dafür sorgen, dass die vorhandenen Stromnetze höher ausgelastet werden können. Der Netzausbau soll durch mehr Erdverkabelung realisiert werden, um mehr Akzeptanz für den Ausbau zu schaffen und Bürgerinteressen stärker zu berücksichtigen.

Speicher

Auch hier hat sich die Koalition Großes vorgenommen. Mit einer stärkeren Marktorientierung der erneuerbaren Energien will sie Investitionen in Speichertechnologien und intelligente Vermarktungskonzepte fördern. Außerdem soll Deutschland wieder Standort für die Batteriezellproduktion werden, dazu wird es ein neues Fraunhofer-Institut für Speichertechnologien geben. Ehemalige Kraftwerkstandorte sollen für große thermische Speicherkraftwerke genutzt werden.

Sektorkopplung

Die Kopplung von Wärme, Mobilität und Strom soll in Verbindung mit Speichertechnologien vorangebracht werden. Eine Schlüsselposition wird dabei den Verteilnetzbetreibern zukommen. Außerdem sollen Wasserstofftechnologien und die Markteinführung von Power-to-Gas gefördert werden. Die Regierung möchte Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen.

KWK

Die Klimaschutztechnologie Kraft-Wärme-Kopplung soll weiterentwickelt und umfassend modernisiert werden, man möchte sie CO2-ärmer ausgestalten, effizienter machen und flexibilisieren.

Welche Rolle die KWK bei der Energiewende spielen wird

Laut Klimaschutzplan sollen sich die Emissionen im Strom- und Wärmebereich bis zum Jahr 2030 halbieren. Große Veränderungen sind da unabdingbar. Und natürlich haben diese Veränderungen zwangsweise einen großen Einfluss auf die Kraft-Wärme-Kopplung, ihre Rolle wird sich bis zum Jahr 2050 deutlich verändern.

Mittelfristig (bis zum Jahr 2030) werden im Strom- und Wärmemarkt immer noch relativ große Mengen an fossiler Energie beziehungsweise Brennstoffen verwendet werden müssen. Der Zielwert für den Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch soll 2030 bei 65 % liegen, den Rest wird immer noch fossile Energie decken. Der intensive Zu- und Ausbau der KWK-Anlagen kann in diesem Umfeld gegenüber einer gekoppelten Erzeugung weiterhin Primärenergie und auch CO2 einsparen. Schließlich bedeutet Energiewende auch mehr (Primär) Energieeffizienz – und genau hier kann die KWK einen entscheidenden Beitrag leisten. Zudem haben KWK-Systeme Lastausgleichswirkung: Sie sind in der Lage, sowohl die Spitzen der positiven und negativen Residuallasten als auch die Summe der Stromdefizite beziehungsweise -überschüsse sehr deutlich zu reduzieren. Außerdem erhöht der Ausbau der KWK die gesicherte Kraftwerksleistung und ermöglicht damit den schrittweisen Kohleausstieg.

Langfristig (bis zum Jahr 2050) wird die KWK aus Klimaschutzgründen hauptsächlich auf biogenen Brennstoffen, Abfall und synthetisch erzeugten Brennstoffen basieren statt auf dem Einsatz von fossilen Brennstoffen. Prognosen gehen allerdings davon aus, dass die KWK-Strom- und Wärmerzeugung in Zukunft deutlich abnehmen wird. Skeptiker bezeichnen die KWK gar als „Brückentechnologie“, deren Bedeutung bei wachsenden erneuerbaren Anteilen im Strom- und Wärmemarkt bis zum Jahr 2050 komplett auslaufen wird. Doch dagegen spricht vor allem, dass die gesicherte Leistung, die KWK-Anlagen liefern, mit zunehmenden Anteilen von Wind und Photovoltaik deutlich wichtiger werden wird als heute. Es ist also nur konsequent, wenn die Koalition die KWK weiterentwickelt und – das ist die Voraussetzung – den Wärmenetzausbau auch dementsprechend vorantreibt. Denn die KWK wird auch in Zukunft benötigt werden, da sie die effizienteste Option ist, um aus Brennstoffen Strom und Wärme herzustellen.

Was wir jetzt für die Energiewende brauchen

Um die Klimaziele zu erreichen, um weltweit wieder ganz vorne bei der Energiewende und den Erneuerbaren Energien mitzuspielen, müssen wir umdenken. Alte Energieriesen wie Vattenfall oder Eon haben das bereits hinbekommen, sie investieren in neue Technologien und verschwenden nicht mehr viel Zeit mit fossiler Energiegewinnung. Die deutschen Autobauer reagieren zunehmend auf den Druck von Tesla und Co – VW hat versprochen, dass in ein paar Jahren jeder vierte Wagen einen Elektro-Antrieb haben soll. Aber auch jeder Bürger muss bei diesem Umdenken dabei sein und akzeptieren, dass vielleicht große Autos teurer werden oder dass man seine alte Ölheizung nicht mehr einfach durch eine neue ersetzen kann. Und wir brauchen das Umdenken ganz dringend von Seiten der Politik. Die Bundesregierung muss eine grundsätzliche Systematik in das Thema Energiewende bringen, klare Regeln und Anreize wie etwa einen eindeutigen Preis für Treibhausgas-Emissionen für alle Branchen schaffen. Gleichzeitig muss sie sich bemühen, die Energiewende internationaler auszurichten und in den europäischen Kontext einzubetten, um einerseits die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Firmen zu stärken und andererseits auch die Kosten für Energie zu senken.

Dann haben wir eine realistische Chance, unsere Klimaziele doch noch zu erreichen.