Nicht jede Biogasanlage stellt Biogas aus Energiepflanzen her. Manche Anlagen verarbeiten auch Substrate wie Gülle, Klärschlamm oder andere „Abfallprodukte“. Im Unterschied zu pflanzlichen Energieträgern dürfen diese allerdings nicht „einfach so“ genutzt werden, da sie der Hygieneverordnung EG 1774/2002 bzw. der EG 1069/2009 unterliegen. Damit ist für bestimmte Substrate eine Hygienisierung in der Biogasanlage vorgeschrieben.
Was genau eine Hygienisierung in der Biogasanlage ist, für welche Energieträger sie verpflichtend gilt und welche Hygienisierungsverfahren sinnvoll sowie praktikabel sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was bedeutet Hygienisierung in der Biogasanlage?
Die Hygienisierung in der Biogasanlage wird auch als Desinfektion oder Entseuchung bezeichnet. Sie dient der Inaktivierung von Krankheitserregern, die sich in manchen Substraten, wie zum Beispiel in Klärschamm, Gülle, Speiseresten oder organischen Abfällen aus der Lebensmittelindustrie, befinden können. Da diese als unerwünschte Organismen und Krankheitserreger gelten, ist es absolut wichtig, dass sie sich nicht in der Biogasanlage ausbreiten.
Die Hygienisierung der Biogasanlage ist damit einer der ersten Schritte des Ausgangssubstrats auf dem Weg zum Biogas. Schon bevor dieses zur Vergärung in den Fermenter gelangt, muss die Hygienisierung stattfinden. Das passiert in der Regel in einer eigens dafür eingebauten Hygienisierungsanlage. Hier werden alle bedenklichen Substrate so behandelt, dass Krankheitserreger entweder inaktiviert oder abgetötet werden. Anders gesagt, sorgt die Hygienisierung dafür, dass sowohl Gärreste als auch das hergestellte Biogas seuchen- und pflanzenhygienisch unbedenklich und ohne Risiken nutzbar sind.
Bei welcher Biomasse ist eine Hygienisierung vorgeschrieben?
Nach Vorgaben der EU-Hygieneverordnung gilt die Pflicht zur Hygienisierung in der Biogasanlage für verschiedene Substrate, die sich in zwei Kategorien gliedern lassen:
- Substrate der Kategorie 2: Magen- und Darminhalte, Milch sowie Kolostrum. Bevor diese zur Vergärung in den Fermenter gelangen dürfen, müssen sie zwingend eine 20-minütigen Hygienisierung bei 133°C sowie bei 3 bar durchlaufen. Auch Gülle gehört zu den Substraten der Kategorie 2, wobei aber für Gülle als unverarbeitetem Rohstoff die Ausnahmen gilt, dass diese auch ohne Vorbehandlung eingesetzt werden darf.
- Substrate der Kategorie 3: Küchen- und Speisereste, aber auch Schlachtkörperteile, Blut, Häute oder Federn. Sie müssen zwingend bei 70 °C für 60 Minuten hygienisiert werden. Für beide Kategorien ist die Hygienisierung in der Biogasanlage Pflicht, da die am Ende übrigbleibenden Gärreste sonst nicht als Düngemittel genutzt werden dürfen.
Hygienisierung in der Biogasanlage – das sind die rechtlichen Vorschriften
Insgesamt gibt es drei Verordnungen, die die Hygienisierung in der Biogasanlage regeln:
- Bioabfallverordnung (BioAbfV) – gilt für die Verwertung von Bioabfall als Düngemittel, das auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden ausgebracht wird.
- Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung (TierNebV) – regelt die Verwertung sämtlicher tierischer Nebenabfälle, wozu auch Küchen- und Speiseabfälle tierischer Herkunft zählen.
- Düngemittelverordnung (DünMV) – regelt die Nutzung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln.
In engem Zusammenhang mit der BioAbfV und der DünMV steht auch die Unterscheidung zwischen Bioabfall und Wirtschaftsdünger. Gärreste, die laut DünMV als flüssige organische Düngemittel gelten, dürfen als Wirtschaftsdünger bezeichnet werden – sofern sie ausschließlich aus Stoffen bestehen, die nur im landwirtschaftlichen Betrieb anfallen. Und dieser Wirtschaftsdünger unterliegt einer Hygienisierungspflicht. Ähnlich ist es bei Bioabfällen, bei denen es sich um tierische Produkte handelt. Auch bei der Verwertung dieser Stoffe gilt: Die Hygienisierung in einer Biogasanlage ist Pflicht.
Pasteurisierung oder Drucksterilisation? Diese Hygienisierungsverfahren gibt es
Je nach eingesetztem Energieträger unterscheiden sich die Verfahren zur Hygienisierung in der Biogasanlage. Welche Möglichkeiten es gibt, zeigt die folgende Übersicht:
1. Pasteurisierung – Batch-Verfahren und quasikontinuierliche Hygienisierung mit Wärmerückgewinnung
Die Pasteurisierung ist eine drucklose Methode der Hygienisierung in der Biogasanlage, die sowohl wirkungsvoll, gleichzeitig aber auch technisch besonders einfach ist. Bei diesem Verfahren wird das Substrat auf mindestens 70 °C erhitzt und für mindestens eine Stunde konstant auf dieser Temperatur gehalten. Nur so ist garantiert, dass möglicherweise belastete Stoffe danach wirklich keimfrei sind. Die Pasteurisierung ist dabei eine geeignete und praktikable Methode für Substrate der Kategorie 3.
Bei der Pasteurisierung gibt es die Möglichkeit, zwei Verfahren anzuwenden: das Batch-Verfahren und die quasikontinuierliche Hygienisierung mit Wärmerückgewinnung. Der Unterschied liegt darin, dass das Substrat beim Batch-Verfahren die Hygienisierung in nur einem Behälter durchläuft, bei der quasikontinuierlichen Hygienisierung mit Wärmerückgewinnung stehen drei Behälter zur Verfügung. Der Vorteil letzterer ist, dass die Behälter wechselseitig mit dem Substrat beschickt werden, was eine noch sicherere Hygienisierung als mit dem Batch-Verfahren gewährleistet.
2. Drucksterilisation
Die Drucksterilisation ist eine Art der Hygienisierung in der Biogasanlage, die bei der Verwertung von tierischen Produkten, also bei Substraten der Kategorie 2, zum Einsatz kommt. Hierfür werden diese zu kleinen Teilchen mit einer Größe von maximal 50 mm zerkleinert und erhitzt. Für mindestens 20 Minuten müssen sie dann auf einer Temperatur von mindestens 133 °C gehalten werden – und das ganze unter einem Druck von drei bar. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass mögliche gefährliche Keime absterben und das Substrat ohne Risiken zur Herstellung von Biogas eingesetzt werden kann.
3. Thermo-Druck-Hydrolyse
Auch die Thermo-Druck-Hydrolyse ist eine Art der Hygienisierung in der Biogasanlage. Sie eignet sich besonders für die Hygienisierung von Klärschlamm. Dieser wird bei der Thermo-Druck-Hydrolyse auf bis zu 200 °C erhitzt und unter hohen Druck gesetzt. Dabei löst das Verfahren schwer abbaubare organische Verbindungen auf und zerstört sämtliche Bakterien und Keime. Ist die Thermo-Druck-Hydrolyse abgeschlossen, lässt sich der Klärschlamm ohne Bedenken in der Biogasanlage nutzen.
4. Alkalische Hydrolyse
Eine weitere Möglichkeit, die Hygienisierung in einer Biogasanlage durchzuführen, ist die alkalische Hydrolyse. Sie eignet sich ebenfalls besonders für tierische Ausgangsstoffe. Diese werden bei der alkalischen Hydrolyse in eine konzentrierte Kalilauge gegeben und auf Temperaturen zwischen 150 °C und 160 °C erhitzt. Um ein Sieden der Lauge zu verhindern, steht der Behälter unter Druck. Bei der alkalischen Hydrolyse werden Hydrolyseprozesse wie zum Beispiel die Verseifung von Körperfetten beschleunigt, wobei sämtliche infektiöse Bestandteile des Ausgangssubstrats absterben.
Achtung, Geruchsbildung!
Alle Verfahren der Hygienisierung in der Biogasanlage haben eine Gemeinsamkeit: Sie können dafür sorgen, dass Geruch aus der Anlage austritt. Empfehlenswert für Betreiber von Biogasanlagen ist es deswegen, auf entsprechende Abdeckungen der Hygienisierungsbehälter zu setzen, die ein Austreten des Geruchs vermeiden. So lassen sich Geruchsbelästigungen sowie mögliche Beschwerden von Anwohnern bereits im Vorfeld vermeiden.