Man hört den Begriff immer wieder und immer öfter in Zusammenhang mit der Klimawende. Die Rede ist von sogenannten Power-to-X-Technologien, abgekürzt auch P2X. Was sich heute noch sehr nach Zukunftsmusik anhört, gilt als aussichtsreichste Idee der Energiebranche, um Stromüberschüsse in Zeiten eines Überangebots Erneuerbarer Energien zu speichern und sie in einen Energieträger, in Wärme, Kälte, Kraft- oder Rohstoff zu wandeln. Dadurch sollen im Sinne der Sektorkopplung Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor stärker vernetzt werden.
Man unterscheidet hierbei verschiedene Power-to-X-Technologien wie etwa Power-to-Heat, Power-to-Fuel, Power-to-Liquid und Power-to-Gas (PtG). Gerade der Ansatz des Power-to-Gas-Verfahrens bietet sich an, um ihn in Zukunft mit der Biogastechnologie zu verknüpfen.
Was steckt hinter Power-to-Gas?
Bei Power-to-Gas wird mit regenerativem Strom Elektrolyse betrieben, bei der Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff getrennt wird. Dieser Wasserstoff kann allerdings nur begrenzt ins Erdgasnetz eingespeist werden. Deshalb geht man noch einen Schritt weiter und bereitet diesen Wasserstoff unter Nutzung von Kohlenstoffdioxid zu Biomethan auf – dieses Verfahren nennt sich Methanisierung. Als CO2-Quelle kann beispielsweise Kohlendioxid aus Biogas, aus Klärgasen, aus konventionellen Kraftwerken oder auch aus Prozessen wie etwa der Zement- oder Stahlherstellung genutzt werden.
Das so erzeugte „grüne Gas“ kann dann beinahe unbegrenzt ins Erdgasnetz eingespeist und in Strom oder Wärme umgewandelt, gespeichert, verflüssigt, als Treibstoff oder als Rohstoff zur industriellen Nutzung eingesetzt werden. Es integriert also Erneuerbare Energien in verschiedene Energieverbrauchsbereiche.
Wofür kann Power-to-gas genutzt werden?
Speicherung
Mit Power-to-Gas lassen sich große Mengen erneuerbaren Stroms langfristig speichern, da Biomethan problemlos in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Dieses Netz, das extrem gut ausgebaut ist, könnte also in Zukunft als gigantische Batterie genutzt werden, um Biomethan über mehrere Monate zu speichern.
Wiederverstromung
Wasserstoff und Biomethan, die in Power-to-Gas-Anlagen produziert werden und ins Erdgasnetz eingespeist werden, können jederzeit wieder in Gaskraftwerken oder Blockheizkraftwerken verstromt werden. So lässt sich das schwankende Angebot aus erneuerbaren Quellen wie Sonnen- und Windkraft ausgleichen und Strom verbrauchsabhängig produzieren.
Verwertung im Wärmesektor
Momentan wird Bioenergie vor allem in Form von Abwärme aus BHKWs mehr oder weniger direkt vor Ort genutzt. In Zukunft könnte Biomethan aus P2G-Anlagen aber vermehrt für die Prozesswärme auch in Fernwärmenetzen verwendet werden. So könnte Biomethan dazu dienen, sowohl über Nah- als auch über Fernwärmenetze den Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu erhöhen und Schritt für Schritt fossiles Erdgas zu substituieren.
Nutzung für die Mobilität
Das aus P2G-Anlagen produzierte Biomethan lässt sich, einmal eingespeist, an jeder beliebigen Stelle im Erdgasnetz wieder entnehmen, beispielsweise auch an der Zapfsäule einer Gas-Tankstelle. Jedes gasbetriebene Fahrzeug kann ohne Weiteres auch Biomethan (oder Bio-CNG – compressed natural gas) tanken. Ein solches Biomethan-Fahrzeug ist extrem umweltfreundlich, da es den CO2-Ausstoß um bis zu 90 Prozent (gegenüber einem vergleichbaren Benziner) reduziert. Momentan macht der Marktanteil von Bio-CNG als Kraftstoff zwar nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz aus, aber Deutschland verfügt mit ca. 1000 bereits existierenden Erdgastankstellen und etwa 100.000 Erdgasfahrzeugen über eine gute Voraussetzung, um klimafreundliche Mobilität weiter auszubauen.
Noch ein Aspekt: Verflüssigt man Biomethan zu LNG (Liquified Natural Gas), lässt es sich aufgrund seiner hohen Energiedichte auch für den Antrieb von LKWs und Schiffen einsetzen. Die EU plant dazu bereits, die Haupttransitlinie durch Europa mit LNG-Tankstellen zu bestücken.
Einsatz in der Industrie
Erneuerbar produzierter Wasserstoff aus Power-to-Gas-Anlagen kann Wasserstoff aus fossilen Energieträgern ersetzen und kann beispielsweise in Raffinerien, in der chemischen Industrie und in Stahlwerken eingesetzt werden.
Dazu kommt, dass Biomethan für die industrielle Prozesswärme eine erneuerbare Alternative wäre, die auch bei hohen Temperaturen von über 500 Grad Celsius geeignet ist.
Kombination von Biogasanlagen und Power-to-Gas-Technologie
Zur Erzeugung von Biomethan benötigt man, wie bereits oben beschrieben, Kohlenstoffdioxid. Als CO2-Lieferant bieten sich viele Quellen an, besonders vorteilhaft ist aber die Nutzung von Kohlendioxid aus Biogasanlagen. Denn dies hat gleich mehrere Vorteile:
Biogasanlagen stellen CO2 in hoher Konzentration bereit (40-50 Vol.%), außerdem sind im Gas wenig störende Begleitelemente enthalten, da es fast nur aus Methan und CO2 besteht. Dazu kommt, dass bei Biogasanlagen die bereits vorhandene Infrastruktur für die Integration von PtG-Anlagen verwendet werden kann. Biogasanlagen sind kostengünstige CO2-Quellen. Und auch die Abwärme, die bei der Methanisierung entsteht, kann direkt wieder genutzt werden, etwa für die Beheizung des Fermenters. Schlussendlich wird durch die Nutzung des aus dem Biogas abgeschiedenen CO2 für die Umsetzung in Methan der regionale Kohlendioxid-Kreislauf geschlossen und die CO2-Reduktion deutlich optimiert.
Besonders interessant ist bei der Kombination aus Biogas- und Power-to-Gas-Anlagen die Direktmethanisierung. Im Gegensatz zur konventionellen Gasaufbereitung, bei der das CO2 zunächst durch aufwändige Aminwäsche aus dem Biogas abgetrennt werden muss, kann bei der Direktmethanisierung das Biogas ohne vorherige CO2-Abspaltung zur Methangewinnung eingesetzt werden. So wird der CO2-Anteil des Biogases also genutzt und zu Methan umgewandelt – und nicht in die Atmosphäre freigesetzt.
Alle Biogasanlagen (auch kleinere), die über eine Vor-Ort-Verstromung verfügen, könnten in Zukunft als potenzielle CO2-Quellen für PtG-Anlagen infrage kommen. Dies wäre in einigen Jahren eine durchaus überlegenswerte Option für die Anlagenbetreiber der rund 9.000 bestehenden Biogasanlagen in Deutschland, um die produzierte Gasmenge zu erhöhen, die Anlagen auch in Zukunft ökonomisch weiterzuführen und einen großen Teil zum Klimaschutz beizutragen.
Eine Überlegung zum Schluss: Würde man nur 10 bis 20 % der 9.000 Biogasanlagen umrüsten, könnte man soviel Biomethan erzeugen, dass man damit mehr als 12 Millionen PKW betreiben oder 8 Millionen Einfamilienhäuser beheizen könnte…
Power-to-Gas hat, und da sind sich Experten einig, enormes Zukunftspotenzial. Es wird wohl DER Weg sein, um Strom aus Erneuerbaren Quellen zu speichern. Die Kombination mit Biogasanlagen klingt ebenso vielversprechend und entspricht auch dem Trend, dass in Zukunft die gesamte Energieversorgung komplexer sein wird und dass einst getrennte Systeme zusammenwachsen werden.
Im nächsten Beitrag sprechen wir dazu mit Peter Dietiker, dem Geschäftsführer der Energie 360 °, dem größten Energieversorger der Schweiz.