245 Millionen – so viele Festmeter Kalamitätsholz sind laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft allein in den Jahren 2018 bis 2022 in Deutschland angefallen. Zum Kalamitätsholz gehört dabei sämtliches Holz von Bäumen, die wegen Schädlingsbefall, Sturmschäden oder Trockenheit umgefallen sind oder gefällt werden mussten. Mit anderen Worten: Es ist ungenutztes Schnittholz aus der Wald- und Landschaftspflege bzw. Sturmholz. Und das eignet sich perfekt zur Herstellung von Holzgas.
Worin genau die Potenziale einer Energiegewinnung aus Holzgas liegen, wie ein Holzgas-BHKW funktioniert und was die Nutzung eines Holzvergasers sinnvoll macht, das erfahren Sie in diesem Artikel.
Wie entsteht Holzgas?
Holzgas entsteht, wenn Hackschnitzel, Holzscheite oder -pellets unter anaeroben Bedingungen so stark erhitzt werden, dass sie sich in ihre einzelnen Bestandteile zersetzen. Dieser Vorgang nennt sich Pyrolyse und ist die notwendige Basis, um Holzgas zu produzieren. Neben dem Gas entsteht dabei immer auch Holzkohle, die sich ebenfalls als wertvoller Rohstoff nutzbar machen lässt.
Wie funktioniert ein Holzgas-BHKW?
Ist das Holzgas gereinigt und abgekühlt, wird es dem Holzgas-BHKW zur Energieproduktion zugeführt. Die Herstellung von Strom und Wärme aus Holzgas in einem Holzgas-BHKW funktioniert dabei genauso wie in jedem anderen BHKW, das mit einem Verbrennungsmotor arbeitet: Der Motor erzeugt über die Nutzung des Gases mechanische Energie, die ein Generator dann in Strom umwandelt. Bei diesem Prozess entsteht gleichzeitig thermische Energie, die spezielle Wärmeüberträger auffangen und in ein Heizsystem übertragen. In Kombination mit einem Pufferspeicher lässt sich diese Wärme zudem für einen späteren Gebrauch (z.B. zur Warmwasserbereitung oder als Raumwärme) speichern.
Der einzige Unterschied liegt somit im eingesetzten Brennstoff. Denn während die meisten BHKW mit Erdgas laufen, das über einen öffentlichen Energieversorger zu beziehen ist, lässt sich Holzgas ähnlich wie Biogas oder Biomethan vor Ort herstellen. Hier liegt vor allem im Heizwert ein großer Unterschied zwischen den beiden Gasen. So hat Erdgas einen Heizwert von ca. 10 kWh/m³, während aufbereitetes Holzgas einen Heizwert von nur etwa 4 kWh/m³ hat.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Nutzung von Holzgas?
Die Herausforderungen bei der Nutzung von Holzgas liegen in den Bestandteilen des Ausgangsmaterials selbst. Denn Holzgas verfügt über einen nicht unerheblichen Anteil an Teer. Kühlt das Gas ab, könnte die klebrige Masse kondensieren und dabei das BHKW beschädigen. Deswegen ist es wichtig, dass die Teerkomponenten durch spezielle Filter oder Gaswäscher abgefangen und aus dem Gas abgespalten werden, damit sie nicht zum Holzvergaser oder zum Motor gelangen. Alternativ ist es auch möglich, die Teerkomponenten des Holzgases in einem thermochemischen Verfahren, also bei besonders hohen Temperaturen, oder mit einem katalytischen Verfahren abzuspalten.
Regionalität und Reststoffnutzung – wie klimafreundlich ist Holzgas?
Holzgas besteht fast zur Hälfte aus Kohlendioxid. Weitere gut 34 % sind Kohlenmonoxid, 13 % entfallen auf Methan. Zu den restlichen Bestandteilen gehören Ethylen und Wasserstoff (je 2 %) sowie Stickstoff (1 %) und Wasserdampf. Bei qualitativ gutem Ausgangsmaterial lassen sich aus 100 kg Holz in einer Stunde rund 30 m³ bis 40 m³ Holzgas herstellen. Als weitere Nebenprodukte entstehen dabei etwa 30 kg Holzkohle, bis zu 60 kg Holzessig sowie rund 5 kg Teer. Das ruft die Frage auf: Wie klimafreundlich ist Holzgas?
Die Antwort lautet: Holzgas ist eine klimafreundliche Alternative zur Energiegewinnung. Denn was bei der Herstellung vor allem zählt, ist die CO2-Bilanz. Und die ist äußerst gering. Bei der Holzgasverwertung wird nämlich nur genau so viel Kohlenstoffdioxid an die Umwelt abgegeben wie der jeweilige Baum dieser zuvor entzogen hat – was im Übrigen derselben Menge CO2 entspricht, die bei der normalen Verrottung in die Atmosphäre gelangt.
Wo Holzgas jedoch enorm punkten kann: Biokohle als Kohlenstoffsenke.
Der bei der Vergasung entstehende Kohlenstoff lässt sich langfristig binden. Das Nebenprodukt, die so genannte Biokohle hat vielfältige Anwendungsmöglichkeiten und kann in verschiedenen Formen verwendet werden. Zum Beispiel kann sie als Bodensubstrat oder Güllezusatz eingesetzt werden, wodurch der Kohlenstoff für mehrere Jahrhunderte im Boden stabil bleibt und als sequestriert gilt. Ebenso kann Pflanzenkohle in Baumaterialien wie Beton, Gips oder Lehm verwendet werden, wodurch eine wirksame Kohlenstoffsenke entsteht. Sie kann auch in Asphalt oder anderen recyclebaren Materialien gebunden werden. Pflanzenkohle ist daher überraschend vielseitig als Kohlenstoffsenke einsetzbar.
Ein weiterer wichtiger Faktor im Zusammenhang mit der Klimafreundlichkeit von Holzgas ist jedoch die Herkunft des genutzten Holzes. Ist dieses nämlich nicht regional verfügbar, sondern muss lange Transportwege quer durch die Republik zurücklegen, steigt die CO2-Bilanz entsprechend. Zudem ist die Herstellung und Nutzung von Holzgas nur so lange umweltfreundlich, wie Reststoffe zum Einsatz kommen. Sobald es jedoch an die planmäßige Abholzung oder aber an einen Raubbau am Wald gehen würde, kann von Klimafreundlichkeit nicht mehr die Rede sein.
Wie wirtschaftlich ist ein Holzgas-BHKW?
Neben der Umweltfreundlichkeit spielt bei der Nutzung eines jeden BHKW immer auch die Wirtschaftlichkeit eine Rolle. So lautet eine wichtige Frage: (Wann) ist ein Holzvergaser sinnvoll? Die Antwort lautet: Das kommt darauf an. Aus ökologischer Sicht ist ein Holzgas-BHKW nur dann sinnvoll, wenn die oben genannten klimatechnischen Aspekte erfüllt sind. Aber auch andere Umstände können die Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Einer der Faktoren, die am meisten ins Gewicht fallen, sind in jedem Fall die Kapitalkosten. Da die Technik eines Holzgas-BHKW deutlich umfangreicher ist als bei einem anderen BHKW, ist die Nutzung von Holzgas (zumindest am Anfang) mit weitaus mehr Kosten verbunden. Gleichzeitig ist der Betrieb eines Holvergasers aufwendiger als bei anderen BHKW.
Ein weiterer „Kritikpunkt“ ist, dass die Motoren in einem Holzgas-BHKW eher in der Grundlast laufen und nicht im Flexbetrieb. Letzterer ist jedoch eines der Konzepte, die enorm viel Potenzial für die Energieversorgung der Zukunft versprechen – nicht allein deswegen, weil sie eine perfekte Ergänzung zu volatilen Energieträgern wie Wind und Sonne sind. Trotzdem sollte der unflexible Betrieb von BHKW, die Holzgas nutzen, kein K.O.-Kriterium sein. Denn der große Vorteil einer energetischen Nutzung von Holzresten ist enorm. Für die Zukunft sollte das Konzept der Holzgas-BHKW auf jeden Fall einen festen Platz im Mix der erneuerbaren Energien finden.
Bioenergie Frauenfeld (CH) – Innovatives Holzheizkraftwerk
Bioenergie Frauenfeld, eine Tochtergesellschaft von Schwester Zucker und Energie 360°, hat ein neues Holzheizkraftwerk in Frauenfeld (Kanton Thurgau) errichtet, das extrem wenig CO2 ausstoßen soll.
Die Anlage nutzt jährlich rund 25.000 Tonnen regional anfallendes Restholz, darunter ungenutztes Schnittholz aus der Wald- und Landschaftspflege, Sturmholz und von Schädlingen befallenes Holz. Um den Wassergehalt des Holzes auf unter 10 % zu reduzieren, wird Niedertemperatur-Abwärme aus der Produktgaskühlung zur Trocknung genutzt.
Anschließend wird es in einer zweistufigen Gasgewinnungsanlage durch Pyrolyse in feste und gasförmige Bestandteile getrennt. In der nachgelagerten Reduktionszone wird Gas gewonnen, von der Kohle getrennt und anschließend auf ca. 100 °C heruntergekühlt. Hierbei entsteht wiederum Wärmeenergie, die an das Wärmenetz geht.
Das Gas wird noch einmal auf 25 bis 30 °C abgekühlt – das entspricht der Betriebstemperatur, die für die Stromerzeugung in den vier hocheffizienten, optimierten Jenbacher Motoren des Typs J420 mit je 1 MW elektrischer Leistung erforderlich ist.
Das Holzheizkraftwerk Frauenfeld ist mit einer elektrischen Leistung von 4 MW eine der weltweit größten Holzheiz-Anlagen. Es liefert nicht nur Strom für etwa 8.000 Haushalte, sondern auch Wärme, die von der örtlichen Zuckerfabrik und der Stadt Frauenfeld genutzt wird. Das erzeugte Strom wird ins örtliche Netz eingespeist und über das Einspeisevergütungssystem des Bundes subventioniert.
Ein weiterer Vorteil des Kraftwerks liegt in der Verwertung des Nebenprodukts. Bei der Gasgewinnung entsteht statt Asche wertvolle Biokohle. Diese Biokohle findet Anwendung in der Landwirtschaft und Industrie. Insgesamt kann das Holzgas-Kraftwerk der Atmosphäre auf diese Weise jährlich 9.000 Tonnen CO2 entnehmen.
Das Holzheizkraftwerk Frauenfeld demonstriert eindrucksvoll, welches Potenzial Holz in der Energiewende bietet. Durch die effiziente energetische Verwertung von regionalem Restholz, die Erzeugung von Strom und Wärme sowie die Produktion von wertvoller Biokohle leistet das Kraftwerk einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zur nachhaltigen Energieversorgung – und ist damit sogar klimapositiv.