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Ausfallende Gaslieferungen aus Russland sind ein Thema, das in den letzten Wochen nahezu alles andere in den Schatten gestellt hat. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fürchten eine Gasknappheit und sehen die Gasversorgung in Deutschland in Gefahr. Insbesondere mit Blick auf den kommenden Herbst und Winter läuft die Suche nach alternativen Möglichkeiten zur Energieversorgung auf Hochtouren. Kernkraftwerke am Netz lassen und Atomkraftwerke reaktivieren, sagen die einen. Solarkraft und Windenergie ausbauen, sagen die anderen. Dabei steht eine absolut sichere Energiequelle scheinbar gar nicht im Fokus: das Biogas.

Warum sich das schnellstmöglich ändern sollte, wo die Chancen der Energiegewinnung durch Biogas liegen und wie sich damit die Gasversorgung in Deutschland sichern ließe, erfahren Sie in diesem Artikel.

Gasversorgung Deutschland: Schild mit Aufschrift "Energieversorgung" und Deutschland Fahne im Hintergrund
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Notfallpläne gegen Energieknappheit

Noch ist die Gasversorgung in Deutschland stabil. Trotzdem bereitet sich das Land auf eine mögliche Gasknappheit vor. Denn ein plötzlicher Lieferstopp von Seiten Russlands ist alles andere als ausgeschlossen. So suchen Branchenexperten aktuell nach verschiedensten Lösungen, um in jedem Fall eine lückenlose Gasversorgung aller Haushalte, Unternehmen und Kommunen sichern zu können. Die Ansätze sind dabei ebenso vielfältig wie fragwürdig – vor allem im Hinblick auf Klimawandel und Energiewende.

So sollen zum Beispiel bereits abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder in Betrieb oder noch aktive gar nicht erst vom Netz genommen werden. Zudem sehen Deutschlands Politiker die Option, die Laufzeiten von Atomkraftwerken, die bereits vor Jahren als nicht zukunftsfähig bewertet wurden, zu verlängern. Eine strittige Überlegung. Denn auch wenn die Energiegewinnung aus Atomkraft inzwischen als klimaneutrale Methode gilt, bleibt das Problem der Endlagerung. Eine umweltfreundliche Alternative für die Gasversorgung in Deutschland sind Atom- und Kohlekraft deswegen mit Sicherheit nicht.

Gleiches gilt für die momentan stattfindenden Gespräche über Investitionen in Fracking-Flüssigerdgas. Gerade in einer Zeit, in der Klimaschutz und der Erhalt von Umwelt und Natur eine der größten Herausforderungen ist, ist es doch widersprüchlich, über Energiegewinnung durch umweltschädliches Fracking zu sprechen. Und damit schließt sich der Kreis zur Energiegewinnung aus Biogas. Denn wenn es um eine schnelle und effektive Lösung für die sichere Gasversorgung in Deutschland geht, kann diese alternative Energiequelle enorm punkten.

„Energie-Win-Win“ – vom Abfall zur sicheren Gasversorgung Deutschlands

Von Energie aus Kohle- und Atomkraft wegzugehen und trotzdem die Gasversorgung in Deutschland sicherzustellen, ist ohne Frage eine echte Herausforderung. Und genau hier kommt Energie aus Biogasanlagen ins Spiel. So wird die Energiegewinnung aus landwirtschaftlichen Abfallprodukten wie Gülle oder Energiepflanzen wie Mais, Raps und Zwischenfrüchten bereits seit Jahren von etlichen landwirtschaftlichen Betrieben praktiziert. Einmal in Biogasanlagen investiert, ziehen sie jetzt langfristig den Nutzen daraus, indem sie die „Abfallprodukte“ ihrer Nutztierhaltung oder andere landwirtschaftliche Erzeugnisse als klimaneutrale Energielieferanten einsetzen.

Die Energieversorgung, die momentan definitiv als unsicher eingestuft wird, könnte durch eben diese Biogasanlagen deutlich an Sicherheit gewinnen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Mittels heimischer Biomasse ließen sich sofort bis zu 20 Prozent mehr Leistung bereitstellen, als es aktuell der Fall ist. Das ist eine extrem schnelle und sehr effektive Art der Energielieferung. Im Falle eines Exportstopps von russischem Gas wären Biogasanlagen somit in der Lage, die Gasversorgung in Deutschland zumindest zu Teilen abzusichern und die oftmals stark fluktuierende Energiebereitstellung aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne zu ergänzen.

So vernachlässigt das EEG das Potential von Biogasanlagen

Das Problem: Aktuell sind die verfügbaren Anlagen gedeckelt, sodass nicht annähernd so viel Energie produziert wird, wie eigentlich möglich. Die Deckelung sorgt also dafür, dass die Anlagen und damit auch die Energieversorgung ausgebremst werden. Das wiederum ist ein Grund dafür, dass das Investment in Biogasanlagen stark stagniert und nur ein sehr geringer Ausbau von Anlagen stattfindet. Auch die Flexibilisierung von Biogasanlagen stockt momentan erheblich.

Wenig vielversprechend sieht auch die Zukunft aus. Ein Blick auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zeigt: Der Ausbau von Biogasanlagen wird kaum berücksichtigt. So heißt es im EEG, dass Deutschlands Strom im Jahr 2030 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien entstehen und bereits im Jahr 2035 nahezu jeder Strom im Land aus eben diesen Quellen stammen soll. Von Energiegewinnung aus Biogas ist nicht die Rede. Für die Sicherung der Gasversorgung Deutschlands heißt das nicht unbedingt Gutes.

Aufgrund dieser Vernachlässigung von Biogasanlagen ist es verständlich, dass der Frust groß ist. Den Landwirten fehlen die richtigen Anreize, in Biogasanlagen zu investieren, um diese sich dem stark wandelnden Energiemarkt anzupassen. Dementsprechend wird gefordert, das Potential von Biogasanlagen im EEG stärker zu berücksichtigen. Das soll Anreize schaffen, die die Landwirte überzeugen, auf ihren Höfen in die Energiegewinnung und somit auch in eine sichere Energieversorgung für ganz Deutschland zu investieren.

Ohne Verbesserungen im EEG weiterhin unsichere Gasversorgung in Deutschland

Zudem müsste die Flexibilisierung der Biogasanlagen einfacher gefördert werden, um einen Zubau der Anlagen in den Fokus zu setzen. Hierbei sollten lokale Projekte, die mehr Flexibilität erbringen können, im Fokus stehen. Stattdessen werden sogenannte „Peaker“-Kraftwerke, das heißt sehr große und enorm leistungsstarke Anlagen, mit weniger Flexibilität gefördert. Ebenfalls problematisch ist die teilweise mangelhafte oder komplett fehlende Anbindung der Biogasanlagen an das Gasnetz. Wegen der überwiegend ländlichen Anlagenstandorte ist es schlichtweg nicht möglich, das von ihnen produzierte Gas für die Gasversorgung in Deutschlands ins Netz einzuspeisen.

Potentiale erkennen und stärker fördern

Die Fokussierung auf die Energiegewinnung in Biogasanlagen, die auf Grundlage von Rest- und Abfallstoffen arbeiten, ist ein sinnvoller und denkbarer Schritt zur Sicherung der Gasversorgung in Deutschland. Diese Stoffe, wie beispielsweise Bioabfall aus dem Haus- bzw. Restmüll, Mist oder Grünschnitt, fallen ohnehin an und könnten somit eine energetische Nutzung von bereits vorhandenen und übriggebliebenen Stoffen ermöglichen. Der Vorteil hierbei ist zudem, dass keine zusätzlichen Nutzflächen erforderlich sind, wie es zum Beispiel beim Anbau von Energiepflanzen der Fall ist. Ebenfalls substituiert diese lokale Biogaserzeugung weiterhin viele Energieimporte.

Doch auch Biogas hat seine Nachteile. So benötigt Biogas wegen seines geringeren Methangehalts eine Aufbereitung zu Biomethan, um Erdgasqualität zu erhalten und so ins Gasnetz eingespeist zu werden – was einen zusätzlichen Arbeitsschritt und einen extra Kostenfaktor bedeutet. Hinzu kommt die Tatsache, dass Biogasanlagen aktuell nur einen Teil der Gasversorgung in Deutschland ausmachen und nicht das gesamte russische Erdgas ersetzen können. Das ließe sich jedoch ändern, würde der Blick stärker auf Biogasanlagen gelenkt. Denn letztendlich braucht es nur eine gewisse Investitionsbereitschaft, um das enorme Potential der Energiegewinnung durch Biogasanlagen ausschöpfen zu können. Insbesondere mit Blick auf die unsichere Gasversorgung in Deutschland sollten die Deckelungen der Anlagen also dringend aufgehoben werden, um sich in der Gas- und somit in der Energieversorgung unabhängiger aufzustellen.