Neben der Stromerzeugung wird für Biogasanlagen in Zukunft ein sinnvolles, effizientes Wärmekonzept von immer größerer Bedeutung werden. Gerade im Hinblick auf den auslaufenden Vergütungszeitraum stellt sich ein zusätzlicher Erlös, wie er etwa durch den Wärmeverkauf möglich wird, als ein ökonomischer Mehrwert heraus. Zwar lässt sich auch durch die im EEG 2017 eingeführte Teilnahmeberechtigung von Bestandanlagen zur Anschlussvergütung ein Fortbestand einiger Anlagen erreichen, doch da gerade bei kleineren Biogasanlagen das Höchstgebot hier oft unterhalb eines wirtschaftlichen Betriebs einer Anlage liegt, werden mit Sicherheit Mehrerlöse generiert werden müssen. Und damit wären wir wieder bei der Frage, wie die Biogas-Branche ihre Wärme in Zukunft am besten nutzen kann.
Wir haben hierzu mit Alexander Denis gesprochen, der an der Hochschule Kempten Energietechnik studiert hat und in Kooperation mit der Firma Energas seine Masterarbeit zum Thema „Wärmenutzung aus Biogasanlagen“ verfasst hat.
Energas: Herr Denis, was fasziniert Sie am Thema „Biogasanlage“?
A. Denis: Biogasanlagen erlebten seit Einführung des EEGs einen enormen Boom und haben heutzutage einen großen Anteil am Gesamtenergiesystem in Deutschland. Die Biogasanlage an sich ist deshalb so interessant, weil sie aufgrund ihrer technologischen Eigenschaft den erzeugten Strom theoretisch flexibel und somit bedarfsgerecht einspeisen kann, was sie zu einer regelbaren Erneuerbaren Energie macht. Außerdem stellt sie aufgrund ihrer Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie bei der Verbrennung des Biogases in einem BHKW eine Sektorenkopplung dar. Allerdings fällt im Hinblick auf die beiden Sektoren auf, dass der Anteil der gesamten Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung stetig wächst, während er bei der Wärmeerzeugung seit Jahren bei etwa 14% stagniert. Um die Energiewende zu bewältigen, muss auch die Wärmewende verstärkt angegangen werden. Experten sehen die Kraft-Wärme- Kopplung dabei als eine Art Schlüsseltechnologie.
Energas: Was machen Anlagenbetreiber aktuell mit ihrer erzeugten Wärme?
A. Denis: Die offensichtlichste Wärmenutzung besteht in der Beheizung des Fermenters. Weitere Anwendungen sind die Beheizung und Warmwasserbereitstellung eigenbetrieblicher Gebäude. Darüber hinaus werden Biogasanlagen nach und nach an so genannte Wärmenetze angeschlossen, womit sie ihre Wärme extern auskoppeln. Außerdem wird die Wärme auch für Trocknungsanwendungen oder zur Nachverstromung genutzt.
So vielseitig die Anwendungen sind, so unterschiedlich gestaltet sich aber auch der ökonomische Wert dieser Wärme. Es zeigt sich, dass die Wärme Spitzenpreise von bis zu 9 Cent pro Kilowattstunde generieren kann. Durchschnittlich sind es allerdings gut 2,6 Cent pro Kilowattstunde. Und: Viele Anlagenbetreiber leiden oftmals an einer unentgeltlichen Auskopplung der Wärme in ein Wärmenetz, welche sich aus alten Verträgen ergibt – es gilt hier nachzuverhandeln.
Energas: Welche Folgen ergeben sich Ihrer Meinung nach, wenn die Wärme nur kaum oder gar nicht genutzt wird?
A. Denis: Schlicht und ergreifend bedeutet das, dass eine zur Verfügung stehende Energieform nicht genutzt wird. Betrachtet man einmal die ausgekoppelte Wärmemenge in Relation zu einer theoretisch möglichen Wärmebereitstellung, zeigt sich: gut 28 % (in Menge: 10,14 TWhth) der in einer Biogasanlagen erzeugten Wärme wird in die Umgebung abgekühlt und somit nicht verwertet. In Zeiten der stetig gewollten Effizienzsteigerungen und Reduzierungen der Treibhausgasemissionen muss man solche Mengen kritisch hinterfragen.
Auch aus umweltethischer Sicht ist eine derartige energetische Ineffizienz bedenklich, wenn man die für die Produktion eingesetzten nachwachsenden Rohstoffe betrachtet. Die Fläche an einem Äquivalent von nachwachsenden Rohstoffen beträgt bei den oben genannten Mengen rund 400.000 Hektar Anbaufläche. Drastisch ausgedrückt: es wird eine Fläche von eineinhalbfacher Größe des Saarlandes verheizt.
Energas: Welche Chancen sehen Sie gegenwärtig in den Wärmeanwendungen?
A. Denis: Biogasanlagen wurden anfänglich dort errichtet, wo das Substrat zur Verfügung stand. Ein Anreiz zur Wärmenutzung wurde erst später geschaffen, womit sich die Ausgangslage der Anlagen je nach Standort sehr unterschiedlich darstellt. Aufgrund der vielfältigen Wärmeanwendungen sehe ich vor allem Chancen in möglichen Trocknungsanwendungen, die im eigenen Betrieb zum Beispiel feste Biomasse trocknen und sie am Markt anbieten. Dieses Konzept stellt einen saisonal gleich hohen Wärmebedarf und ist unabhängig von der Wärmedichte am Standort.
Außerdem sollten sich Kommunen stärker auf eine kommunale Wärmeplanung konzentrieren und die Biogasanlagen im Umfeld mit einbeziehen, denn ein so genanntes Bioenergieprojekt ist oft sehr komplex und bringt hohe Investitionen mit sich. Betreiber einer Biogasanlage sollten hier nicht allein gelassen werden.
Grundsätzlich sollte bei möglichen Investitionen in ein neues BHKW – wie es beispielsweise im Rahmen einer Flexibilisierung der Fall ist – immer auch der Standort hinterfragt werden. Ist vor Ort keine ausreichende Wärmedichte gegeben, kann der Standort mittels eines so genannten Satelliten-BHKW hin zum Wärmeabnehmer verlagert werden.
Energas: Gibt es noch weitere Vorteile, die eine verstärkte Wärmenutzung mit sich bringt?
A. Denis: Stellen wir uns ein beispielhaftes Bioenergieprojekt einer Kommune vor, die ein Wärmenetz errichtet hat, ergeben sich Vorteile auf mehreren Seiten: Der Betreiber der Biogasanlage erzielt zusätzliche Erlöse. Die Kommune senkt ihre Treibhausgasemissionen, erlebt eine Imageaufwertung und steigert die Wertschöpfung in der Region. Die Wärmeabnehmer profitieren dahingehend, dass sie das EEWärmeG erfüllen (in Baden-Württemberg das EWärmeG) und sich von einer meist fossil betriebenen Einzelfeuerungsanlage unabhängig machen. Außerdem soll zukünftig der Primärenergiefaktor im kommenden Gebäudeenergiegesetz eine stärkere Gewichtung bei der Effizienzklassenbewertung von Gebäuden bekommen.
Eine Vollkostenrechnung zeigt, dass ein Anschluss an ein Wärmenetz zudem durchaus günstiger sein kann als eine Investition in eine Einzelfeuerungsanlage. Auch der Konflikt mit der Erdgasversorgung kann dahingehend entschärft werden, indem das Energieversorgungsunternehmen, welches im Konzessionsgebiet Erdgas an Endkunden vertreibt, den Betrieb des Wärmenetzes übernimmt. Es erweitert somit sein Angebot um das Produkt der Wärme am Markt und erreicht eine maximale Kundenbindung.
Energas: Wie wird sich die Biogasbranche weiterentwickeln?
A. Denis: Dazu gibt es einige Studien. Man kann davon ausgehen, dass der Zubau von Neuanlagen aufgrund der gegenwärtigen Gesetzeslage nur eine unwesentliche Leistungserhöhung mit sich bringen wird.
Die aktuell noch bestehende Flexibilisierung über die Flexibilitätsprämie lässt zwar einen leichten Zubau an Leistung in Bestandsanlagen erwarten. Jedoch bleibt diesen Anlagen zukünftig maximal die Möglichkeit, die Anschlussförderung über die Ausschreibung zu erhalten, welche gerade für kleinere Anlagen kaum ausreichend sein wird. Optimierungen neben der Flexibilisierung sind also gefragt, auch im Hinblick auf die Wärmenutzung.
Betrachtet man die Biogasanlagen im Gesamtenergiesystem, ist aufgrund ihrer dezentralen Lage und der Eigenschaft der flexiblen Einspeisung ein Erhalt dieser Anlagen bei stetiger Zunahme von Wind- und PV-Leistungen im Stromsektor zwingend erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu steigern. Allein in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg ist derzeit eine elektrische Leistung von rund 1,5 GW Biogasanlagen installiert. Dies entspricht der Leistung von etwa eineinhalb Großkraftwerken, welche im Falle einer flächendeckenden Stilllegung durch ineffizienten Betrieb der Anlagen kompensiert werden muss. Rechnet man die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke dazu (sie haben einen Anteil von etwa 25% an der Nettostromerzeugung), welche aktuell in der Diskussion steht, stellt sich zu Recht die Frage, wie diese Leistungen kompensiert werden können. Dazu bedarf es einer regelbaren Erzeugung wie sie beispielsweise die Biogasanlagen erreichen.
Man braucht also Maßnahmen, die der Stilllegung von Anlagen entgegenwirken und gleichzeitig die Bioenergie im Wärmesektor stärken, um Investitionen sicherer und attraktiver zu gestalten. Denn auch wenn eine Biogasanlage zu den dezentralen Energieversorgungsanlagen zählt, geht das Interesse zur Erhaltung und Optimierung dieser weit über die Region hinaus.
Energas: Herr Denis, vielen Dank für das Gespräch!
Im nächsten Beitrag werden wir Ihnen in einem kurzen Leitfaden die wichtigsten Grundüberlegungen und Aspekte einer Investition beziehungsweise Optimierung der Wärmeanwendung für Ihre Biogasanlage vorstellen und erläutern.
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