Geht es um Energie, denken die meisten Menschen in erster Linie an Strom. Dabei macht der Stromsektor aktuell nur rund ein Viertel des Endenergieverbrauchs aus. Der größte Energiebedarf entfällt damit auf einen anderen Sektor, den Wärme- und Kältesektor. Rund 1.217 Milliarden kWh Wärme und Kälte verbrauchen die Deutschen pro Jahr – und eröffnen damit einen ganz neuen Aspekt im Diskurs zur Energiewende. Denn der hohe Wärme- und Kältebedarf zeigt ganz klar: ohne Wärmewende keine Energiewende.
Welche Potenziale die Wärmewende für die Energiewende mitbringt, welche Probleme es hierbei gibt und welche Rolle Kraft-Wärme-Kopplung dabei spielt, das erfahren Sie in diesem Beitrag.
Wärme in Deutschland – woher kommt sie und wie wird sie produziert?
Windkraft, Photovoltaik, Biomassekraftwerke, Kohlekraftwerke – woher der Strom in Deutschland kommt, ist schnell aufgezählt. Aber was ist mit der Wärme? Wie wird in Deutschland Wärme erzeugt? Woher kommt sie und wie gelangt sie zum Verbraucher? Um die Notwendigkeit der Wärmewende und ihren Zusammenhang mit der Energiewende zu verstehen, ist die Beantwortung dieser Fragen ganz essenziell.
Zunächst einmal ist es wichtig, zu wissen, dass Wärme nicht gleich Wärme ist. Denn je nach Verbrauchssektoren unterscheiden sich die Anwendungsbereiche und die Arten von Wärme, die dort zum Einsatz kommen. Zu den Verbrauchern gehören dabei:
- Haushalte
- Industrie
- Gewerbe, Handel und Dienstleistungen
Mit einem Anteil von 47 Prozent sind Privathaushalte der größte Wärmeverbraucher. 37 Prozent entfallen auf die Industrie, die restlichen 16 Prozent auf den Sektor von Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Die Anwendungsbereiche teilen sich auf in:
- Raumwärme
- Prozesswärme
- Warmwasser
- Prozesskälte
- Klimakälte
Sowohl Wärme als auch Kälte stammen dabei aus unterschiedlichsten Energiequellen. Am meisten werden Wärme und Kälte auf Basis von Erdgas produziert (ca. 575 Mrd. kWh in 2020). An die 600 Mrd. kWh stammen aus fossilen, nicht erneuerbaren Energieträgern wie Öl, Kohle oder Strom. Etwa 182 Mrd. kWh Wärme entsteht mittels erneuerbarer Energiequellen (ausgenommen Strom, Stand 2020). Das zeigt: Fossile Energieträger machen für die Wärme- und Kältegewinnung nach wie vor den Löwenanteil aus. Um die Energiewende zu schaffen, führt deswegen kein Weg an der Wärmewende vorbei.
Energiewende, Klimawende, Wärmewende – Ziele und Notwendigkeiten
Die Wärmewende steht im Grunde synonym für eine nachhaltige Wärmeversorgung. Und die wiederum braucht ein komplett anderes Energiesystem als es bisher vorhanden ist – ein Energiesystem der Zukunft. Ohne das wird es schwer für die Energiewende.
Der Stromsektor hat bereits gezeigt, dass sich nachhaltige, alternative und erneuerbare Energiekonzepte nicht über Nacht etablieren lassen und dass eine Abkehr von fossilen Energieträgern nicht als Hauruckaktion funktioniert. Übertragen auf die Wärmewende heißt das, dass jeder Sektor individuell zu betrachten ist, um realistische und umsetzbare Ziele zu definieren. Die wichtigste Unterscheidung liegt hierbei wohl zwischen Privatverbrauchern und industriellen Verbrauchern.
Privathaushalte
Der private Verbrauch in Form von Raumwärme, Klimakälte und Warmwasser macht fast die Hälfte des gesamten Wärmeverbrauchs aus. Damit Privathaushalte ihre Energie weniger oder im Idealfall irgendwann gar nicht mehr aus fossilen Energieträgern beziehen, sind die passende Technik sowie eine entsprechende Energieinfrastruktur gefragt. Und dafür braucht es neben einer Vielzahl kleiner erneuerbarer Wärmeerzeuger auch den Ausbau von Wärmenetze, die nachhaltig produzierte Energie in Form von Wärme dezentral verfügbar und verteilbar machen.
Industrie
Prozesswärme stellt mit 38 Prozent den zweitgrößten Anwendungsbereich von Wärme dar. Auch hier geht es darum, die Dekarbonisierung, die bereits im Stromsektor stattfindet, auf den Wärmesektor zu übertragen – mit mehr erneuerbaren Energieträgern und modernen Anlagenkonzepten zur klimafreundlichen Wärmeversorgung, -speicherung und -nutzung.
Auf den Punkt gebracht, bedeutet das: Für das Gelingen der Wärmewende braucht es
- den Ausbau bereits bestehender Wärmenetze (Nah- sowie Fernwärme),
- eine möglichst effiziente Nutzung klimaneutraler und erneuerbarer, aber auch noch fossiler Energieträger mithilfe innovativer Energiekonzepte,
- dadurch eine Einsparung der Primärenergie im Vergleich zur ungekoppelten Wärmeerzeugung,
- und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei fossilen Brennstoffen.
Anders gesagt: Die Wärmewende braucht erneuerbare Energieträger, die flexible, bedarfsgerechte, versorgungssichere und klimafreundliche Energie liefern.
KWK als Big Player der Wärmewende?
In den Diskussionen rund um die Suche nach einem Energiesystem der Zukunft taucht ein Konzept immer wieder auf: die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). KWK ist ein System, das aus einer Primärenergiequelle gleichzeitig Strom und Wärme bereitstellen kann. Damit ist KWK ein hocheffizientes System, das zugleich höchste Nutzungsgrade und Kraftstoffflexibilität bietet. Seit Jahrzehnten sind KWK-Anlagen für die Energiegewinnung im Einsatz, meist befeuert durch Kohle oder Erdgas. Die Abkehr von fossilen Brennträgern bedeutet deswegen aber nicht zwangsläufig, dass auch KWK-Anlagen ausgedient haben. Im Gegenteil – hochmoderne KWK-Anlagen lassen sich optimal auf Basis erneuerbarer Energieträger wie Biogas oder Biomethan betreiben. Für Wärmewende und Energiewende ist das ein entscheidender Vorteil.
Einer der wichtigsten Faktoren für das Gelingen der Wärmewende ist dabei die Möglichkeit, KWK-Anlagen sowohl flexibel als auch dezentral zu nutzen. Das macht sie zu einer wichtigen Säule, um die gewohnt hohe Versorgungssicherheit in Deutschland zu garantieren. Und das nicht allein im Energiesektor der Wärmeversorgung, sondern auch in Bezug auf die Stromversorgung. Denn wenn die erneuerbare Wärme- und Stromerzeugung durch Wind und Sonne über längere Zeit nicht zur Verfügung steht (Stichwort Dunkelflaute), können KWK-Anlagen bedarfsgerecht einspringen. Das sorgt für stabile Netze und eine sichere Energieversorgung.
Möglich ist das, weil zukunftsfähige KWK-Anlagen nicht mehr wie früher auf die Grundlast des Wärmebedarfs ausgelegt sind, sondern strommarktoptimiert geplant und betrieben werden. Auf diese Weise sind Erzeugung und Bedarf zeitlich entkoppelt. Die modernen Anlagenkonzepte sehen dafür neben (Wärme)-Pufferspeichern vor allem ein intelligentes Energiemanagement vor, das den Einsatz der Anlage zu Hochpreiszeiten am Strommarkt steuert und optimiert. Hinzu kommt, dass sich moderne KWK-Anlagen auch auf andere erneuerbare Energieträger wie Wasserstoff oder weitere Synthesegase umrüsten lassen – die perfekte Basis für die Wärmewende.
Wie kann die Wärmewende gelingen – und was sind die Hindernisse?
Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energiekonzepte im Wärme- und Kältesektor bei 50 Prozent liegen. Dieses ehrgeizige Ziel möchte die Bundesregierung mit einer flächendeckenden und verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung erreichen. Die Dekarbonisierung – und zwar in allen drei Verbrauchssektoren – ist dabei jedoch nur ein Baustein, den es umzusetzen gilt. Gleichzeitig erfordert dieser Schritt in Richtung Wärmewende auch den Bau neuer Anlagen sowie die Erweiterung und die Überholung bereits bestehender Anlagen. Gleiches gilt für die schon vorhandenen Wärmenetze. Auch hier braucht es Erneuerung, Ausbau und Erweiterung.
Damit die Wärmewende gelingt, sollen diese Ansätze verfolgt werden:
- Einbindung verschiedenster Wärmequellen im kommunalen Bereich
- Ein flächendeckend eingeführtes Gesetz und die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
- Anpassung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)
- Umsetzung der Bundesförderung für effiziente Fernwärme (BEW)
Gleichzeitig ist geplant, erneuerbare Wärmeerzeuger auszubauen, die Zahl der KWK-Anlagen zu steigern, die sich auf erneuerbare Gase umrüsten lassen, und diese als flexible Stütze zu anderen erneuerbaren Energiequellen zu nutzen.
Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis jedoch nicht genauso einfach umzusetzen. Denn für eine umfassende Umsetzung der Energiewende müssen sämtliche Wärmeverbraucher und Schlüsselakteure mit einbezogen werden. Allein das ist ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hinweg zieht. Hinzu kommt, dass der Ausbau von Infrastruktur, Wärmenetzen und KWK-Anlagen auch einen wesentlichen finanziellen Faktor bedeutet. Den kann nicht jede Kommune „einfach so“ stemmen.
Gleichzeitig erfordert die Wärmewende eine enge Kopplung mit dem Stromsektor – der ebenfalls vor den gleichen Herausforderungen (Infrastruktur, Finanzierung, Gesetzgebung) steht. Um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, braucht es deswegen weitaus mehr als ein paar gute Ideen. Denn letztendlich müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. Die entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten müssen vorhanden sein. Und die Gesetzgebung muss mehr Möglichkeiten schaffen anstatt Hindernisse.